giovedì 23 agosto 2012

Die Mentorin


Früh am Morgen


Wenn ich jemals angezweifelt hätte, dass Kinder uns in Form halten, dann hätte sich dieser Zweifel an dem Tag in Luft aufgelöst,  an dem ich mich um 6 Uhr früh beim Sonnenaufgang  auf einer durch Tau genässten Wiese am  Turnen befand.
Das Groteske war, daß ich weiß Gott nicht freiwillig dorthin gegangen bin, zumal das Frühaufstehen, insbesonders am Schuljahresende, eine Art  Heldentat für mich darstellte. Außerdem war ich nie und niemals ein Konditionsfanatiker, eher das Gegenteil.


Die Morgensonne schlug lange Schatten auf die Wiese, der Tau blinzelte mich an, eine leichte Brise wehte, zwei Störche flogen tief über meinen Kopf und ich schaute vor mich hin.
So schön wie die Landschaft auch aussah , dank meiner  Müdigkeitstränen konnte
ich sie nur in Wellenbewegungen  bewundern.

Von dort aus wo ich stand, konnte ich die Schülerin sehen, der ich als Strafe drei- mal Laufen um den Sportplatz gegeben hatte.
Das war also der  Grund, warum ich da stand.
Viel denken konnte ich nicht, dafür war ich zu müde.
Mich hinlegen auch nicht , dafür war die Wiese zu nass.
Weggehen  auch nicht, weil sonst die Schülerin die 3 Runden nie und niemals gelaufen wäre; und ich hätte an meiner Konsequenz  zweifeln müssen.

Ich schüttelte mich, ich fror.

Also begann ich zu  turnen;  erst bog ich mich leicht nach vorne, dann streckte ich die Arme nach außen, machte Kniebeugen und zwischendurch legte ich kurze Laufstrecken zurück.
Mir wurde plötzlich bewußt, daß ich Morgengymnastik machte.
Ich erschrak fast und schaute schnell um mich herum, ob mir jemand zusah; nein,  bis auf zwei Dachdecker, die in der Ferne auf einem Dach standen und wie  zwei Zinnfiguren aussahen, war niemand zu sehen!
Nur eine undisziplinierte Schülerin und eine hartnäckige Erzieherin hockten an einem Samstag morgen auf einem Sportplatz; beide aufeinander  sauer, weil sie aus verschiedenen Gründen so früh aufstehen mußten.
Als sie zum  zweiten Mal an mir vorbei lief, schaute sie mich mit einem hoffnungsvollen und fragenden Blick an: muß ich weiter laufen? Ein leichtes Kopfnicken war meine Antwort und sie lief non-stop weiter, während ich meine Turnübungen fortsetzte.

Vielleicht wurden meine Gehirnzellen durch das Einatmen von so viel Sauerstoff  schneller als sonst aktiviert, denn plötzlich ging mir eine Frage durch den Kopf:
Was mache ich hier? Wo bin ich ?


Eigentlich wollte ich nur konsequent sein, die Schülerin sollte etwas Disziplin lernen und zur Einsicht  kommen. Jedoch diejenige, die zur Einsicht kam, war ich.
Eines war klar: die Schülerin wußte bestimmt, warum sie herum laufen mußte. Ich wußte aber nicht, warum ich um 6 Uhr früh Gymnastik machte, zumal ich viele andere Strafen zur Auswahl  gehabt hätte, die wiederum nicht mich so hart  getroffen hätten.
Ein kitzelndes Gefühl, das sich in meinem Bauchbereich  bemerkbar machte, wuchs schnell  an und brachte mich zu einem heftigen Lachanfall.

Ich lachte in die Morgensonne hinein,  ich lachte auf einer taufeuchten Wiese, ich lachte in die wehende Brise, ich lachte zu den fliegenden Störchen.
Ich lachte über mich und über meinen Erziehunsstil, über mein Konsequentseinwollen und über den Glauben,  alles im Griff zu haben.

Meine gewonnene Einsicht nahm Form an und ich sagte zu mir:
Nicht wir, sondern die Kinder haben uns im Griff. Sie schaffen es, uns Tag und Nacht auf Trab zu halten, sowohl körperlich als auch geistig. Sie halten uns in Bewegung und ziehen uns an ihrer Leine, wie sie es brauchen, und wir laufen......laufen.....laufen .....hinter ihnen her.


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Graziella Torboli – 1994




























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